Man kann und muss die Lauterbachsche Gesundheitspolitik an vielen Stellen kritisieren. Jedoch ist die geplante Einführung der Gesundheitskioske eine von den besseren Ideen.
Nach finnischem Vorbild sollte ein niedrigschwelliges Angebot für Regionen geschaffen werden, in dem Menschen mit erschwertem Zugang zu Gesundheitsleistungen leben. In städtischem Gebiet sind dies häufig Stadtteile, mit niedrigem ökonomischem Status. Dort fehlt es oft an Hausärzten, da diese sich lieber dort niederlassen, wo das Geld wohnt. Gleiches gilt für ländliche Regionen, in der häufig eine Überalterung der dort lebenden Menschen hinzukommt. Profitiert hätten also arme und alte Menschen.
Zusätzlich hätte es die Position von Gesundheitsberufen neben der ärztlichen Profession geschaffen. Geleitet werden diese Kioske von speziell ausgebildeten Pflegekräften (Community Health Nurses) und auch Hebammen bieten dort ihre Leistungen an.
Die Kosten für die Gesundheitskioske sollen sich die gesetzlichen Krankenkassen (74,5%), die privaten Krankenkassen (5,5%) und die Kommunen (20%) teilen.
Eine Übersicht zu den Gesundheitskiosken findet sich unter folgendem Link beim Bundesgesundheitsministerium: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/g/gesundheitskiosk
Für ganz Deutschland waren ca. 1000 Kioske geplant. Schnell kam die Kritik, dass damit Doppelstrukturen geschaffen werden würden.[1] Dem ist jedoch nicht so. Selbst die AOK, also einer Kostenträgerinnen, schreibt zu der Frage, ob Doppelstrukturen geschaffen werden würden: „Nein. Der Gesundheitskiosk fasst die regionalen Angebote gebündelt zusammen und stellt sich als koordinierendes und zusteuerndes Element in einer sehr komplexen Versorgungsstruktur dar. Die verschiedensten Angebote des sozialen Hilfesystems werden als Infrastruktur genutzt und für den Klienten nach individuellem Bedarf angeboten. Vorhandene Angebote werden den Hilfesuchenden erklärt und eine Inanspruchnahme zielgerichtet begleitet. Es werden keine Konkurrenzprodukte und -leistungen angeboten.“[2]
Hinzu kommt, dass das Angebot der Kioske in benachteiligten Strukturen geschaffen werden sollen. Die Robert-Bosch-Stiftung hat bereits 2021 einen eklatanten Mangel in der hausärztlichen Versorgung festgestellt und damals empfohlen, sogenannte „Gesundheitszentren“ zu schaffen.[3]
Dennoch wurde die Planung von 1000 Kiosken auf ca. 200 reduziert[4], die AOK schätzt den Bedarf auf eher 50-100[5]. Die Studie der Robert-Bosch-Stiftung prognostiziert für das Jahr 2023 ca. 11.000 unbesetzte hausärztliche Stellen. Da erscheint eine Anzahl von 1000 Kiosken nicht überdimensioniert. Insbesondere da die dort angebotenen Leistungen immer nur ergänzend und entlastend zu den Praxen zu verstehen sind, und nicht als Konkurrenz.
Wenn die FDP sich nun also gegen Gesundheitskioske stellt, richtet sich ihre Politik explizit gegen die Benachteiligten unserer Gesellschaft. Ihre Politik ist damit armen- und altenfeindlich. Insbesondere da die Kosten für die Kioske durch den Mangel an hausärztlichen Praxen und den damit „eingesparten“ Leistungen dort wegfielen.
Der Hinweis, dass bereits jetzt medizinisch-pflegerisches Personal fehle und mit den Gesundheitskiosken dieser Mangel sich noch verschärfen würde, da diese Menschen dann nicht mehr in den bestehenden Strukturen zur Verfügung stehen würden, ist besonders perfide. Gerade wenn diese Kritik vom Präsidenten einer Landesärztekammer kommt, in diesem Fall von Erik Bodendieck von der Sächsischen Landesärztekammer.[6]
Hier wird deutlich, dass es im Grunde um Machterhalt seitens ärztlicher Lobbyisten geht. Diese befürchten, dass durch die Schaffung erweiterter Kompetenzbereiche der ärztliche Stand an Bedeutung und Einfluss verlieren wird. Dieses Klassen- und Standesdenken wird auf den Rücken von Armen, Alten und Kranken ausgetragen. Hinzu kommt dass Ärzt:innen für die FDP traditionell ein wichtiges Bestandteil ihrer Wählerschaft sind.
Es verbünden sich also Mediziner:innen und FDP gemeinsam. Darunter leiden Arme, Alte. Andere Gesundheitsberufe werden geschwächt, um die klassischen Machtpositionen im Gesundheitswesen zu schwächen.
[1] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/gesundheitskiosk-versorgung-lauterbach-medizin-100.html
[2] https://www.aok.de/pp/rh/nachricht/fragen-und-antworten-zum-gesundheitskiosk/#c30691
[3] https://www.bosch-stiftung.de/de/presse/2021/05/2035-fehlen-deutschland-rund-11000-hausaerzte-experten-empfehlen-den-aufbau-von
[4] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/gesundheitskioske-lauterbach-fdp-100.html
[5] https://www.aok.de/pp/rh/nachricht/fragen-und-antworten-zum-gesundheitskiosk/#c30694
[6] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/137088/Konzept-der-Gesundheitskioske-Kritik-am-Aufbau-von-Parallelstrukturen
Foto: https://unsplash.com/de/fotos/menschen-in-weissem-hemd-mit-durchsichtigen-trinkglasern-701-FJcjLAQ?utm_content=creditShareLink&utm_medium=referral&utm_source=unsplash
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